Medienwerkstatt-Wien
Karin Berger im Gespräch mit Isabella Reicher zu den Themen Neugier, Küche, Zuhören, Ceija Stojka, Umwege, Frauenbewegung, Gratwanderung, Niemals vergessen. Dazu Filmausschnitte aus den Produktionen: Herzausreisser, Küchengespräche mit Rebellinnen, Ceija Stojka, Tränen statt Gewehre, Unter den Brettern hellgrünes Gras, O! Fortuna!

Ausschnitt aus

KARIN BERGER MIT OFFENEM BLICK
von Isabella Reicher
Seit den 1980er-Jahren arbeitet Karin Berger als Dokumentarfilmerin. Von Beginn an rückt die Regisseurin Personen und Erfahrungen in den Mittelpunkt ihrer Filme, die die öffentliche Wahrnehmung lange Zeit ausgeblendet hatte: In Küchengespräche mit Rebellinnen etwa (1984, gemeinsam mit Elisabeth Holzinger, Lotte Podgornik, Lisbeth N. Trallori) erzählen Österreicherinnen vom politischen Widerstand während des Nationalsozialismus. Die Lebensgeschichte der Autorin und Malerin Ceija Stojka steht im Mittelpunkt von Ceija Stojka – Porträt einer Romní (2000) und Unter den Brettern hellgrünes Gras (2005). Karin Berger praktiziert eine Form der respektvollen Annäherung an die Menschen, die man in ihren Filmen kennen lernt und eröffnet zugleich auch einen Erfahrungszusammenhang, der über die jeweiligen individuellen Biografien hinaus weist. Ihren ProtagonistInnen begegnet sie als diskretes, aufmerksames, nachfragendes Gegenüber in einer den Porträtierten vertrauten Umgebung. Ihren ZuseherInnen erlaubt sie damit sehr unmittelbare Einblicke und Zuhör-Erfahrungen, nicht zuletzt in ihrem bislang letzten Kinofilm Herzausreißer (2008), der zeitgenössische InterpretInnen des Wienerlieds und deren individuelle Aneignungen dieses Stücks heimischer Popkultur vorstellt.

Karin Berger gehört somit zu jener Generation heimischer Dokumentarfilmschaffender, die sich den Film im Sinne einer Gegenöffentlichkeit und für eine kritische Auseinandersetzung mit österreichischer Vergangenheit und Gegenwart nutzbar machte. Mitunter führt sie diese Auseinandersetzung auch auf einer persönlichen Ebene: O! Fortuna! – work in progress (1991 | 1995 | 2003) drückt jene Form heiterer Verzweiflung aus, die berufstätige Mütter nicht selten begleitet, und erzählt sehr einfach, direkt und schlüssig auch davon, wie (Film-)Arbeit und (Frauen-)Leben nicht immer ganz reibungslos ineinander greifen.